Das Naturschutzgebiet Werbeliner See existiert nun schon seit einigen Jahren. Doch wie gut funktioniert es, naturschutzfachlich gesehen? Erfüllt es seinen Zweck?
Um diesen zu definieren müssen wir vielleicht noch etwas weiter in die Vergangenheit gehen, bis in die Mitte der 2000er. Im Jahr 2006 wurde das Europäische Vogelschutzgebiet (EVS) „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“ ausgewiesen. Es umfasst das Gebiet des ehemaligen Tagebaus „Delitzsch-Südwest“ sowie die umliegenden, agrarwirtschaftlich geprägten Flächen. Dieses EVS gliedert sich in ein EU-weites Schutzgebietssystem ein, das den Erhalt vor allem auch wandernder Tierarten in Europa garantieren soll. Nach EU-Recht besteht in diesen ein Verbesserungsgebot, wichtiger aber noch, ein Verschlechterungsverbot. Wird dagegen verstoßen, drohen hohe Strafzahlungen.

Wie Verbesserungsgebot und Verschlechterungsverbot jedoch praktisch umgesetzt werden, obliegt den einzelnen Ländern; eine klare gesetzliche Vorlage existiert dafür nicht. In den Jahren nach der Ausweisung des Vogelschutzgebiets bemerkte man, dass viele der seltenen Vogelarten, die vor allem im Bereich des ehemaligen Tagebaus vorkommen, in ihren Beständen zurückgehen. Dies hatte zwei Gründe: Der immer höher werdende Druck durch Besuchende und das Zuwachsen ehemals offener Flächen.
Um dem steigenden Besuchsdruck zu begegnen, wurde im Jahr 2019 das Naturschutzgebiet „Werbeliner See“ endgültig festgesetzt. Was viele nicht wissen: Wie bei allen Naturschutzgebieten geht damit ein klares gesetzlich verbindliches Regelwerk einher, an das sich alle halten müssen. Das dient dem Schutz der dort wild lebenden Tier- und Pflanzenwelt. Bei Verstoß gegen dieses Regelwerk kann im Rahmen des Deutschen Naturschutzgesetzes dagegen agiert werden.


Dem Zuwachsen der Wiesenflächen muss jedoch auf anderer Weise begegnet werden. Allein die Schutzgebietsausweisung verhindert leider nicht natürliche Prozesse wie die Sukzession (das Zuwachsen von offenen Flächen). Daher wurde von der unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Nordsachsen ein naturschutzfachlicher Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) in Auftrag gegeben. Dieser gibt für die nächsten Jahre und Jahrzehnte flächenspezifische Ziele und Managementmaßnahmen vor und wurde Ende 2024 in seiner Endfassung übergeben. Darin werden beispielsweise Details zur Lenkung der Besuchenden aufgeführt. Dazu gehören Sitz- und Rastmöglichkeiten, weitere Informationspunkte sowie eine Überarbeitung des Wegenetzes.
Doch vor allem geht es um Habitaterhalt oder -wiederherstellung. So wird für viele der ehemals oder noch vorhandenen Wiesenflächen ein recht genauer Prozentsatz an Offenland vorgegeben, der erreicht werden soll. Auch werden die besten Maßnahmen dafür klar definiert. Diese sind an einigen Stellen eine späte und mindestens zweistaffelige – also zeitlich in zwei Etappen aufgeteilte – Mahd, die den Tieren über das Jahr immer Lebensraum garantiert und gleichzeitig den offenen und krautreichen Charakter erhält. Für den Großteil der Offenlandflächen wird jedoch die Errichtung von wilden Weiden empfohlen. Diese simulieren einen einst natürlichen Prozess, bei dem große Pflanzenfresser die Sukzession ausgleichen und so zu einer strukturreichen, offenen bis halboffenen Landschaft beitragen (mehr dazu auch z. B. hier). Und diesen Herbst geht es endlich los!

Wie auf der Karte dargestellt, wird der Landschaftspflegeverband Nordwestsachsen e. V. einen großen neuen Beweidungskomplex im Bereich der ehemaligen Tagesanlagen, im Nordosten des Gebiets, errichten. Dazu werden Teile der Fläche ab Oktober komplett entbuscht, um Offenland herzustellen. Außerdem wird über den Winter ein Weidezaun um die Fläche gebaut. Ab Frühjahr sollen dann bereits Tiere auf der Fläche stehen, um den frischen Aufwuchs abzufressen und die Landschaft zu pflegen. Bleiben Sie gespannt und schauen Sie gerne mal vorbei!